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Schifferl setzen

Ich kann mich noch genau erinnern: das komische Kribbeln im Bauch, der immer schneller werdende Herzschlag, die kalten, feuchten Hände … Schon ein paar Tage vor dem Krampustag begannen wir in der wohlig geheizten Stube mit dem Schifferlbasteln. Jedes Schiff wurde penibelst genau gefaltet, bemalt und mit einem hübschen Spruch versehen.

Am 5. Dezember, kurz vor Einbruch der Dunkelheit marschierten wir Geschwister dann los, ganz leise und möglichst lautlos, es durfte uns ja keiner erwischen. Knapp aneinander gedrängt gingen wir den Waldweg rüber zu unseren nächsten Nachbarn. Eigentlich kein weiter Weg, vielleicht zehn, fünfzehn Minuten zu Fuß, aber in diesem Moment fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Noch jetzt kann ich mich an die angespannte Stimmung erinnern. Kaum einer von uns sagte ein Wort. Wir stapften so schnell es der tiefe Schnee erlaubte und atmeten die kalte Winterluft ein. In der benachbarten Siedlung angekommen, versuchten wir den wenigen dumperen Lichtkegeln der Straßenlaternen so gut es ging auszuweichen. Schnell und lautlos huschten wir von Haus zu Haus, schmissen je eines der Schifferl in den Vorraum und ehe wir uns versahen, waren wir auch schon wieder am Rückweg.

Dass wir nun nicht mehr leise unterwegs waren, war uns egal. Wir liefen so schnell es ging zurück. In der Ferne sahen wir schon das wohlig warme Licht leuchten. Unsere Mutter wartete sicher schon mit einem Tee, den sie mit Orangen, Zitronen und Honig zu einem köstlich-süßen, wärmenden Punsch veredelt hatte. Von überall her glaubten wir das Rasseln von Ketten und Läuten von Krampusglocken zu hören und unsere Schritte wurden immer größer und schneller. Zu Hause angekommen, konnten wir endlich wieder das erste Mal erleichtert aufatmen. Geschafft!

Das Schifferl setzen ist heute noch ein alter Brauch, der im Mariazellerland gepflegt wird. Wer ein Schifferl am 5. Dezember still und heimlich gesetzt bekommt, muss dieses mit Nüssen, Äpfel, Mandarinen und kleinen Süßigkeiten füllen, damit es am nächsten Tag, dem Nikolaustag, wieder abgeholt werden kann.

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